Presse:
Süddeutsche Zeitung - Dienstag, 18.11.2003:
"Warum man im Kino weint"
Weinselig
"Heulen nach Herzenslust! Ein nicht zu unterschätzendes menschliches Grundbedürfnis, das früher einmal zu einem Boom von Selbsthilfegruppen führte, am einfachsten aber nach wie vor im Kino zu befriedigen ist. "Warum man im Kino weint…und im Theater nicht" - dieser unmittelbar drängenden Frage gehen Philine Velhagen und Barbara te Kock derzeit auf höchst vergnügliche Weise mit vier einschlägig begabten Probanden im PATHOS transport theater nach.
Zu Beginn gibt es erst mal eine Runde rührende Selbstbekenntnisse zum lockeren Einheulen, bevor es streng wissenschaftlich weitergeht. Als trainierte Tränenspezialisten brauchen sich Angelika Fink, Anastasia Papadopoulou, Sebastian Kalhammer und Gunnar Solka nur anzuschauen, um sich gleich darauf schluchzend in den Armen zu liegen. Wer noch nicht so weit ist, braucht stärkeren Stoff. Hoch dosierter Kitsch auf Zelluloid zum Beispiel hilft fast immer, es sei denn, man setzt die Wirkung mit gezielten Gegenkommentaren außer Kraft.
Nach einer hitzigen Debatte über die Bedeutung der Träne als Garant von Authentizität und über die Kontrolle von Körperflüssigkeiten bei Männern und Frauen wirkt dann alles ein wenig wackelig, die alten Bürosessel, die nervliche Verfassung der Kontrahenten und die Versuchsanordnung selbst - aber genau das gehört hier zum Konzept: Fünf Tage proben, fünf Tage spielen - zumindest solange es kein Geld von der Stadt gibt, haben Jörg Witte und sein Team Theater & Company aus der Not eine Tugend gemacht und produzieren professionell, aber auf Sparflamme kuriose Miniaturen, Schnellschüsse mit Anspruch und Potenzial. Und auch wenn die Titelthese rein wissenschaftlich noch nicht bewiesen werden konnte, experimentell hat sie sich bewahrheitet: Hier werden Tränen höchstens gelacht."
Silvia Stammen (Süddeutsche Zeitung, Dienstag, 18. November 2003)
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velhagen/te kock, 2005-2006