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Presse:

Abendzeitung, 27. Januar 2009, Gabriela Lorenz
Die Profitgier des salbungsvollen Erlösers
Ein Theaterprojekt über Sterbehilfe: "Happy Ending" ist satirisch und beklemmend.
Eng umschlungen tanzt der Mann, der sich Erlöser nennt, mit der alten Schlaganfall-Patientin zum imgedichteten Schlager "Ich wünsch dir Sterben ohne Leiden". Doch noch kann sich Ingrid nicht mit der Plastiktüte anfreunden, die er ihr über den Kopf zieht. Johanna (Susanne Schroeder) ist Schauspielerin: Immer wieder vergisst sie den Text von Schillers Jungfrau von Orléans, weiß nicht mehr, wo und wer sie ist. Ehe sie ganz dement wird, will sie sterben - mit Hilfe des Erlösers. Der erfolglose Künstler Thomas (Martin Müller) hat als Lebensversicherung ein Tattoo von Gerhard Richter auf dem Rücken - nun frisst es ein Hautkrebs auf.
Das Pro und Contra der Sterbehilfe machen Philine Velhagen und Barbara te Kock, seit 2003 ein Regie-Duo, zum Thema ihres neuen Theaterprojekts "Happy Ending" im i-camp. Zwischen Frisierkommode, Kunstrasen-Hügel (Bühne: Norbert Truxa) erklären die Kranken ihre guten Gründe, warum sie sich ein glückliches, sanftes Ende wünschen.
Vorbild des Erlösers ist der Hamburger Ex-Justiz-Senator Roger Kusch, der seinen Klienten einen Selbsttötungsapparat offeriert. Andreas Herzog gibt ihn therapeutisch, salbungsvoll, fordert suggestiv Hingabe ans Sterben - und immer schimmert die Profitgier durch. Glänzend spielt Anastasia Papadopoulou die 85-jährige Ingrid, mit dicker Brille, im Rollstuhl oder steif trippelnd. Sie benennt ihre Angst vor dem Verfall genau und entflieht doch am Ende mit dem Schrei "Ich will nicht sterben". Das ist beklemmend, berührend, grotesk und satirisch zugleich - ein gelungener Balance-Akt.



Kölnische Rundschau, 14.2.09, Thomas Linden
Von Gerhard Richter tätowiert
Intelligentes Kabinettstück: "Happy Ending" im artheater
Es ist kein Beinbruch, dass die 37-jährige Schauspielerin Johanna (Susanne Schröder) auf der Bühne ihren Text nicht mehr kann. Aber als sie ihren Mann nicht mehr wiedererkennt, macht sich bei beiden nackte Verzweiflung breit. Johanna leidet an einem Gehirntumor, der unheilbar und qualvoll ist. So entscheidet sie sich, ihr Sterben in die Hände einer kommerziellen Organisation für Sterbehilfe zu legen. Ein "Happy Ending" wird es in der Produktion von Philine Velhagen und Barbara te Kock im artheater nicht geben.
Punktgenau haben die Theatermacherinnen ihr neues Stück platziert - dem Sterbehelfer Roger Kusch etwa wurde noch vor einer Woche von der Justiz Einhalt geboten.
Das Stück zeigt auch die grotesken Seiten des kommerzialisierten Todes, wenn zu Schlagern von Udo Jürgens der geschmeidige Ausstieg aus dem Leben startet. Das sind aber auch die Momente, in denen kurz die abgründige Bitterkeit des Sterbens aufblitzt. An diese wagen sich Velhagen und te Kock ansonsten eher nicht heran; sie verfallen nicht dem falschen Ehrgeiz, großes Theater produzieren zu wollen. Gleichwohl gelingen dem kleinen Ensemble (auch Andreas Herzog, Martin Müller, Anastasia Papadopolou) beachtliche Szenen. Faszinierend zu sehen, wie ein menschlicher Körper nur noch ein schwerer Packen bleibt, ohne Bewusstsein, aber lebendig. Wie Vitalität zur Strafe werden kann, davon gibt diese kluge Groteske eine Ahnung. Das von Barbara te Kock geschriebene Stück fächert Szenen zum Thema auf. Da gibt es die netten therapeutischen Gurus, das Erstauen über die Verkitschung des Todes. Und eine Geschichte von jemandem, der mit Gerhard Richter studiert hat. Beide waren Kunststudenten und haben sich gegenseitig die Rücken tätowiert - deshalb ist die Rückenhaut des künstlerisch erfolglosen Kommilitonen jetzt Millionen wert. Die Haut wird jedoch von Krebs bedroht, also gilt es, zum Wohle der Hinterbliebenen schnell zu sterben...
Ja, Velhagen und te Kock ziehen alle Register und das in kurzer Zeit. Ein intelligentes, mitunter sehr komisches Kabinettstück, makaber, aber anregend.




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velhagen/te kock, 2005-2008